
Hyder, diese winzige
Stadt in Alaska nennt sich selbst „The friendliest ghost town in Alaska!“. Die
freundlichste Geisterstadt in Alaska also.

Tatsächlich scheinen
sich Fuchs und Hase hier guten Morgen, guten Tag und guten Abend zu sagen. Ich
habe es aber weder auf Fuchs, noch auf Hase abgesehen, sondern auf Meister
Petz.

Im Fish Creek, direkt
hinter Hyder, soll man quasi garantiert Bären beim Lachse fischen beobachten
können. Meine Fantasie geht schon seit der Ausflugs-Planung mit mir durch. Mal
sehe ich mich auf einem Baum sitzend das Kamera-Objektiv durch ein Dickicht aus
Blättern auf einen braunen Fellfleck am Horizont richten, mal wähne ich mich
hinter dem Fenster des Busses auf der Lauer nach Herrn Grizzly liegen. In
meinen kühnsten Träumen hätte ich nicht erwartet, dass über dem kleinen
lachsreichen Berg-Bach ein erhöhter, gepflegter Plankenweg verläuft.

Der
Eingang durch einen bewaffneten Ranger abgesichert, thronen wir Touristen über
den Köpfen von fischenden Bären. Ich müsste nur (lebensmüde sein) meinen Arm
ausstrecken, und könnte Frau Schwarzbär am Ohr ziehen. Wahnsinn. Soll ich jetzt
enttäuscht sein, weil das so ein bisschen Zoocharakter hat, oder soll ich mich
freuen, dass ich SO NAH über dem Geschehen schwebe, dass ich sogar permanent
den widerlichen Geruch der verwesenden Lachsreste in der Nase habe? Ich
entscheide mich –wie meistens- für die Freude.
Es ist ein spannendes
Schauspiel, dass da am Bachlauf stattfindet: Mehrere Bären, (hauptsächlich
Braunbären, obwohl es hier auch Grizzlys und Schwarzbären geben soll) haben
sich einen Angelplatz im Flüsschen gesichert. Gelangweilt verfolgen sie mit
ihrem Blick, einzelne Lachse, die sich durch das flache Wasser kämpfen. Sie
scheinen satt zu sein. Außerdem sehen die Lachse auch nicht besonders lecker
aus. Sie sind schon ziemlich am Ende ihrer langen Reise und wirken farblos und
abgekämpft. Dann allerdings, erspäht ein brauner Riese einen leckeren, rotglänzenden
Happen. Von jetzt auf gleich beschleunigt so ein riesiger, behäbig wirkender
Teddybär auf Raubtiergeschwindigkeit, schlägt seine Klauen in den todgeweihten
Lachs und befördert ihn so ans Ufer.

Dort dreht der Braunbär
den zappelnden Fischhappen auf den Rücken und versenkt seine angsteinflößenden
Zähne in den rot leuchtenden Bauch, der die kostbaren und zum Verhängnis des
Lachses auch noch leckeren Fischeier enthält. Das Bild wirkt grausam, aber so
ist der Lauf der Natur. Dennoch habe ich Gänsehaut von den Armen bis zum
Nacken. Das Geräusch… das Geräusch des prallen Fischlaibs als das Gebiss dem
Lachsleben ein Ende sitzt. Wow. Damit hatte ich nicht gerechnet. Fiese
Frequenzen. Da kann man noch so viele Natur-Dokus im TV anschauen. Dieses Geräusch
bekommt man da nicht zu hören. Ist vielleicht auch besser so?! Die Zeit vergeht
wie im Flug. Es ist mittlerweile früher Abend und die Ranger fordern uns auf
den Steg zu verlassen bevor es dunkel wird.

Auf dem Rückweg nach
Hyder sehen ich sogar noch einen Grizzly, wie er gemütlich in den Blaubeeren
sitzend Nachtisch nascht. Du, lieber Teddy, täuschst mich nicht mehr. Du bist
wirklich knuddelig, aber du bist was du bist. Ein schönes -wenn auch leicht
müffelndes- Raubtier.




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