VIETNAM: Urlaubskarten mal ohne Strandmotiv



Vor der Hauptpost in Saigon (Ho-Chi-Minh-Stadt) stehen Frauen, die stapelweise Pop-up Grußkarten verkaufen. Eine schöner als die andere. Du wunderst Dich vielleicht "Was ist denn daran so besonders?". Es bedarf hier nicht vieler Worte, um zu erklären warum ich Unmengen davon als Souvenir gekauft habe. Siehe bitte selbst:




Zwischen BANGKOK, SIEM REAP und PHNOM PEN


Wenn es im Bauch kribbelt, dann ist es entweder eine Magen-Verstimmung, Liebe, oder das Zeichen dafür, dass ein Lebenstraum in Erfüllung geht. „Mekong Fluss-Kreuzfahrt!“ steht über dem Reiseplan, den ich in Händen halte.
Da!
Da sind sie wieder, meine ganz persönlichen Schmetterlinge im Bauch.
Bangkok, Siem Reap und dann über den Tonle Sap Fluss nach Phnom Penh. Dort weiter auf dem Mekong nach Saigon (Ho-Chi-Minh-Stadt). Der Reiseverlauf liest sich wie die Top5 einer „Must See“-Liste.

BANGKOK: Die Welt, eine Auster

Bangkok ist bunt, laut, exotisch, aufregend. Sehenswertes an jeder Ecke. Zwei der Sehenswürdigkeiten haben es mir ganz besonders angetan.


Erstens den Königspalast: Wahnsinn! Drei Daumen hoch. Unbedingt ansehen. Die Anlage ist herrlich gepflegt. Die Silberpagode und ihre Schätze beeindruckend.


Zweitens Wat Arun: Der zu Stein gewordene Zuckerguss-Hochzeitstorten-Traum einer Märchen-Prinzessin, bewacht von grimmigen, blauköpfigen Dämonen. Unbedingt anschauen, knipsen, knipsen, knipsen, und emsig im Reiseführer die dazugehörigen Erklärungen mitlesen (oder am besten geführt besuchen).

SIEM REAP: Mehr als nur Steine

Es fühlt sich so ein bisschen an wie “Kind sein am Weihnachtsabend”. Nach diesem Tag werde ich einen großen grünen Haken auf meine Löffelliste setzen können:


Bayon ist der perfekte Vorgeschmack auf Angkor Wat. Mitten im Wald blicken riesenhafte Steingesichter von Türmen aus in alle Himmelsrichtungen. Die Sonne geht gerade unter, und es sind nur noch wenige, vereinzelte Touristen da. Dafür brodeln die Endorphine in Massen durch meine Blutbahn. Wahnsinn.


Das geheimnisvolle Angkor Wat ist zu groß, als dass ich es direkt im Anschluss an den Bayon-Besuch erkunden könnte. Das ist auch ganz gut so, denn die Eindrücke, die mir die gigantischen Bauten von Angkor Wat am anderen Tag verschaffen sind überwältigend. Meine Erwartung wird nicht nur erfüllt, sondern übertroffen.



Uns selbst diese spektakuläre Sehenswürdigkeit wird für meinen persönlichen Geschmack dann noch von Angkor Thom getoppt. Ich kann mich in Angkor Thom gar nicht sattsehen, an den Ruinen, die der Urwald langsam wieder vereinnahmt. Ein echtes Highlight in meinem Leben.

Die MS Lan Diep


Das kleine Schiff MS Lan Diep fährt unter Kambodschanischer Flagge. Die Besatzung ist sowas von zum Fressen süß und freundlich und überhaupt ein Vorbild für alle, die auch nur im Ansatz mit Service zu tun haben. Nach Ausflügen stehen alle brav aufgereiht an der Reling, um die zurückkehrenden Touristen zu empfangen, einen Tee zu reichen und strahlend lächelnd ein „Welcome Home“ zu hauchen. Und es fühlt sich auch wirklich wie nach Hause kommen an.


Das Schiff ist sauber, geräumig, das Essen fies lecker und überraschend abwechslungsreich. Meine Kabine ist ebenfalls groß, und mit allem ausgestattet was das Herz begehrt. OK, die Klimaanlage tropft manchmal. Aber wen stört das? Handtuch drunter, fertig. Ich habe online gebucht und bekomme mit freundlicher Empfehlung des Veranstalters, Phoenix Reisen, eine Flasche Sekt auf meine Kabine geliefert. Ja, was soll ich dazu sagen?! Habe ich doch wieder alles richtig gemacht, oder?



PHNOM PEN: Empathie für Anfänger

Der Gedanke daran die Killing Fields und ein ehemaliges Gefängnis in Phnom Pen zu besuchen verursacht mir in vielerlei Hinsicht Unbehagen. Zu allererst meldet sich mein schlechtes Gewissen, dass ich mal wieder völlig unvorbereitet, und ohne mich in die Geschichte eines Landes einzulesen, verreist bin. Außerdem schwant mir, dass das keine Heile-Welt-Exkursion werden wird. Dabei bin ich bekennende Heile-Welt-Touristin. Ich beobachte meine Umwelt auf Reisen sehr genau. Ich nehme die Zustände im Reiselande sehr wohl wahr und reflektiere sie auch. Aber dann verdränge ich die weniger schönen Erkenntnisse relativ schnell. Das ist Selbstschutz. Ich kann nicht das Leid der Welt auf meine Schultern laden, sondern nur versuchen, mein Handeln im Wissen darum wie privilegiert mein Leben ist, anzupassen.
Mein Bauchgefühl über den Besuch der Kambodschanischen Killing Fields und des Gefängnisses täuscht mich nicht. Und ich werde diesen Besuch auch leider niemals wieder vergessen können.


Das Gelände der Killing Fields hat zuerst nichts Angsteinflößendes. Die Knochen in den Massengräbern könnten theoretisch auch prähistorische Funde sein. Die Hunderte von Totenschädeln in der Gedenk-Stupa haben auch eher etwas Klinisches.


Beklemmend wir das alles erst mit den dazugehören Fakten, die die Reiseleiterin uns berichtet: Folter und Exekution. Bäume, die einzig dazu genutzt wurden Säuglinge daran zu zerschlagen.
Völkermord der schlimmsten Art. Menschliche Perversion, die sich mit Worten so nicht beschreiben lässt. Es dauert keine zwanzig Minuten, da wischen sich ausnahmslos alle Touristen, die an der Führung teilnehmen, Tränen aus dem Gesicht. Die Geschichten, die uns unsere Kambodschanische Begleitung erzählt, klingen so bizarr und krank, dass keine Fiktion sich sowas hätte ausdenken können.
Beklemmt, bedrückt, schweigsam.


Auch die Weiterfahrt zum ehemaligen Folter- und Verhörgefängnis der Roten Khmer S-21 ist keine Vergnügungsfahrt.
Obwohl ich erwartet habe, dass es nicht viel schlimmer kommen kann, kommt es schlimmer. Das S-21 ist mittlerweile ein Museum. Man kann die Zellen sehen, in denen gefoltert und gequält wurde. Man sieht nachgestellte Szenen der abartigsten Methoden Menschen zu quälen und zu misshandeln. Was hier passiert ist, kann es an Perversion mit den Kriegsverbrechen des Zweiten Weltkriegs aufnehmen. Völkermord. Beängstigend, beschämend.

Eine Exkursion zu diesen beiden Plätzen bei Phnom Pen ist schockierend und lässt sich nicht wieder aus dem Gedächtnis verdrängen. Trotzdem empfehle ich diesen Trip zu machen. Manche Ereignisse dürfen nicht in Vergessenheit geraten, um die Zukunft vor Wiederholung zu schützen. Manche Ereignisse erden uns. Manche Ereignisse erinnern uns an die eigene Zerbrechlichkeit, und wie wichtig es ist für die richtigen Dinge einzustehen.



KAMBODSCHA: Ein Insekt zum Verlieben



In einem kleinen Bauernlädchen, irgendwo in einem Dorf in Kambodscha blicken mich zwei niedliche Augen aus dem Gewirr an Auslagen des Verkaufstisches an.


Eine kleine Libelle aus Bambusholz. Liebevoll bemalt, federleicht und perfekt ausbalanciert. So kann man sie auf einem einzigen kleinen Punkt an ihrer Nase balancieren. Davon muss ich welche haben. Ein ganzer Beutel der hübschen Souvenir-Insekten begleitet mich nach Hause. Die Kinder in meiner Nachbarschaft freuen sich riesig über das witzige Mitbringsel. Eine kleine Libelle bleibt bei mir und erinnert mich mit ihren freundlichen Äuglein an die herzerwärmenden Menschen in Kambodscha.

Irgendwo in KAMBODSCHA. Jane!



Erst wenige Tage in Kambodscha, sind mir die Menschen hier ans Herz gewachsen.
Schüchtern, freundlich, und trotz Sprachbarrieren immer zu einem Scherz aufgelegt. Dabei ist es ganz offensichtlich, dass es hier niemand leicht hat.

Die Landschaft rund um den Tonle Sap Fluss ist grandios und mehrmals am Tag landet das kleine Fluss-Schiff irgendwo an, damit die kleine Gruppe Touristen sich die Gegend genauer anschauen kann. Dieses mal haben wir an einem sehr ländlichen Abschnitt angehalten, um eine Tempel-Anlage anzuschauen.
Verzaubert von der schönen Tempel-Anlage, und neugierig jeden Stein fotografierend laufe ich auf einem Tempelhügel herum. Plötzlich schiebt sich eine kleine Hand in meine. Verdutzt blicke ich das kleine, hübsche Mädchen neben mir an. Sie gehört ganz offensichtlich zu dem Waisenhaus, das es hier oben gibt. „Na?! Wer bist denn Du?“ frage ich sie überrascht.
Ihre riesigen, dunklen Augen, blicken zu mir auf. „Jane!“ sagt sie mit Nachdruck.
„Hi Jane. Schön dich kennen zu lernen.“ lächele ich sie an.
Ihre braunen Locken umrahmen ihre Stirn, die sie jetzt in Falten legt. „Jane!“ erinnert sie mich nachdrücklich.
„Oh Entschuldigung. Wo habe ich nur meine Manieren? Diane!“. Ich schüttele ein bisschen ihre Hand, mit der sie sich ja sowieso schon an mir festhält. Sie lacht und wir laufen einen Moment zusammen Händchen haltend am Tempel entlang. Munter plaudere ich darauf los "Du wohnst bestimmt hier in dem Waisenhaus. Do you speak English, Jane?“.
Sie sieht wieder an mir hoch „Yes! Jane!“.
„Mmhhh… du kleine Maus verstehst kein Wort von dem was ich sage. Richtig? … Do you understand, Jane?“


Sie strahlt über das ganze Gesicht „Yes, Jane!“
Ohhhh je … mir wird ganz mulmig zumute. Was passiert da gerade? Jane ist keine Bettlerin. Sie hält sich einfach an mir fest und strahlt mich an, wenn ich mit ihr plaudere. Aber ist das alles? Eine kleine Plauderei mit einer Touristin? Eine kleine Panikattacke schnürt mir den Hals zu. Als ich in die Hocke gehe, und ihr auf Augenhöhe ins Gesicht blicke, zerreißt es mir fast das Herz. „Jane. Ich kann dich nicht mitnehmen. You cannot come with me. Verstehst du? No! You stay here!“ versuche ich ihr betont ernst klar zu machen.
Sie strahlt. „Yes. Jane.“
Hilflos schnappe ich nach Luft. „Es tut mir so leid. Ich weiß gar nicht was ich tun soll. Bitte verzeih mir. Jane, I have to go.“ Jane strahlt, aber ihr Blick verfinstert sich, als ich ihre kleine Hand, mit der sie sich regelrecht an mir festhält, sanft aber bestimmt aus meiner Hand löse. Sie senkt den Blick. Puff… Mein Herz, gebrochen in winzig kleine Stückchen. Ich stupse sie mit dem Zeigefinger in den kleinen Kinderbauch. Betont beschwingt richte ich mich wieder auf „Tschüss Jane. Bye bye.“ Sie sieht mich wieder hoffnungsvoll an. Energisch drehe ich mich auf dem Absatz herum, und entferne mich mit schnellen Schritten. Jane lasse ich einfach hinter mir zurück. Ich drehe mich nicht um, aber ich kann fühlen, dass sie traurig zu Boden schaut, die kleine Jane.




TENERIFFA: Der Fluch der Bewertungsportale



Ich im ‚Las Tejas Verdes‘ und schäme mich in Grund und Boden. Was habe ich getan? Ist das meine Schuld? Würde es hier jetzt auch so zugehen, wenn ich keine Bewertung abgegeben hätte? Wären die vielen Touristen dann nicht vielleicht einfach an der kleinen Bar mit dem spelunkigen Licht vorbei gegangen und alles wäre geblieben wie es war: authentisch?

Letztes Jahr,…
… nach unserer Rückkehr von Teneriffa, habe ich ganz begeistert diese Bewertung bei tripadvisor.de abgegeben: „Las Tejas Verdes: Authentischer geht's kaum: Bei Tag läuft man bestimmt x-mal am Tejas Verdes vorbei, ohne es überhaupt wahr zu nehmen. Ein kleiner grüner Schuppen, mit geschlossenen Türen und winzigen Fenstern. Abends ab 21 Uhr, wenn das Trio aufspielt, bleibt man automatisch davor stehen, lauscht den Spanischen Liedern. Es gibt Abende, da ist die winzige Bar bis auf den letzten Platz gefüllt, und so mancher Einheimische greift zu Gitarre und/oder Mikrofon. Es gibt Abende, da schwingen Pärchen kunstvoll das Tanzbein. Es gibt aber auch Abende, da sitzen nur wenige Gäste an den urigen Holztischen, und das Trio spielt verloren vor sich hin. Da muss man einfach geduldig immer mal wieder vorbei gehen und schauen. Niemals vor 21 Uhr, da ist nichts los.“.

Jetzt…
… ist mir nach Heulen zumute.


Letztes Jahr…
… waren wie per Zufall in die kleine Bar „Las Tejas Verdes“ mit den grünen Türen und den grünen Läden gestolpert. Wir haben uns weder von der schummrigen Beleuchtung, noch von der feuchten Luft und der beinah schäbig wirkenden Einrichtung abschrecken lassen. Unsere Neugierde wurde in den darauffolgenden Stunden belohnt: Wir erleben eine Art „Kanarisches Coyote Ugly“. Zwei ältere Herren spielen Gitarre und singen leidenschaftlich kanarische und spanische Lieder. Fasziniert beobachten wir zusammen mit den verschwindend wenigen Touristen wie nach und nach Kanari aufstehen, sich beherzt das Mikrofon greifen und ähnlich einer Karaoke-Vorstellung mit tiefster Innbrunst ihr Lieblingslied schmettern. Wieder andere, einheimische Gäste, greifen sich Rhythmus-Instrumente aus der Dekoration der Schanktheke und sorgen für die Percussion-Unterstützung. Zu unserer Überraschung bleibt die peinliche Note einer Karaoke-Vorstellung aus, denn allesamt wissen genau was sie da tun, und liefern eine bühnenreife Show ab. Zwei Karaffen Wein später singen wir ebenso innbrünstig „Viva Tenerife, viva, Viva Tenerife, Viva Tenerife de las Canarias maravillosas Viva Tenerife, viva, Viva Tenerife, viva Viva Tenerife de las Canarias maravillosas“ mit, während ein kanarisches Paar älteren Semesters mit dem Stolz der südländischen Patrioten tanzt. Erst als schon wieder der Sonnenaufgang zu erahnen ist, verlassen wir das „Tejas Verdes“ und schwanken „Viva Tenerife“ summend zum Hotel.


Was jetzt…
…vor meinen Augen abläuft, hat nichts mit diesem zauberhaftem Abend von damals, zu tun. Das „Tejas Verde“ voller Touristen. Die Einheimischen, von denen ich einige wiedererkenne, zusammengequetscht an einem kleinen Tisch vor den Gitarristen. Der Geräuschpegel ohrenbetäubend. Die beiden Gitarre spielenden Sänger sind kaum zu verstehen. Es vergeht eine halbe Ewigkeit bis der erste Einheimische sich erbarmt und enthusiastisch ein Lied mit dem Mikrofon mitsingt. Die gespannte Touristen-Menge schunkelt und klatschen unrhythmisch dazu. Die Blicke der Einheimischen sprechen Bände.
Entweiht!
Jemand hat diese kleine urige Bar entweiht. Ich schicke tonlose Stoßgebete in die Runde „Bitte sagt mir jemand, dass das nicht meine Schuld ist.“.
Aber wie ist das? Wie ist das, wenn man „Off the beaten path“-Tipps im Internet postet? Hat man dann automatisch Hochverrat an denen begangen, die den Geheimtipp über Jahre bewahrt haben, um ihn zu schützen, und zu verhindern, dass ein „beaten path“ daraus wird?
Ich bin ratlos … und beschämt.


ISRAEL, JORDANIEN & ÄGYPTEN: Murphys Law trifft auf Lebenstraum


Die Kurzfassung dieser Reise liest sich ein bisschen wie die Inhaltsangabe eines ereignisüberfrachteten Hollywood-Streifens: Reisegepäck verloren, sexuelle Nötigung an der ägyptischen Grenze, Kamera zerstört, Lebenstraum erfüllt, Wohnung ausgeraubt.
Die Langfassung ist abendfüllend.
Das spannendste in Leselänge zusammengefasst:

Urlaub ohne Gepäck
Meine gute Laune und ich landen in Ägypten. Mein Reisegepäck nicht. Mir schwant nichts Gutes, denn bereits morgen Mittag plane ich die Grenze nach Israel zu passieren. Mir ist klar, dass ein Koffer ohne Besitzer auf gar keinen Fall in Israel „einreisen“ wird. Vorsorglich decke ich mich im Hotel mit Zahnbürste und Zahnpasta ein.
Es kommt wie es kommen muss: Mein Gepäck wird nicht nachgeliefert. Ich bereise Israel also ohne Koffer und hoffe, dass mein Gepäck sich irgendwann wiederfindet.
Lediglich meinen Rucksack mit Kamera, notwendigsten Utensilien (teilweise Leihgaben oder Geschenke von Mitreisenden) und eine Aldi-Tüte mit wenigen Kleidungsstücken (One to wear, one to wash and one spare!), die ich mir unterwegs gekauft habe, begleiten mich.
Optimal ist anders, aber es gibt auch echt schlimmeres. Irgendwie ein befreites Reisen. Erinnert mich ein bisschen an das Leben aus dem Rucksack während der guten alten Interrail-Zeit.


Sexuelle Nötigung an der Grenze
An der Grenze zu Israel stehe ich in einer langen Schlange am Ägyptischen Schalter und blicke versonnen in dem Gebäude herum. In Ermangelung von Wechsel-Kleidung trage ich die Sachen vom Anreisetag zuvor. Lange Jeans, Langarmpulli und Sneakers. Der Grenzbeamte, ein älterer Herr mit dunklem aber angegrautem Schnurrbart, zwinkert mir zu. Ich lächele neutral zurück. Als ich an der Reihe bin, strahlt er mich an. Er blick in meinen Pass. „Deutsch?“ fragt er. „Ja.“ antworte ich freundlich. Er blättert vor und zurück durch den vollgestempelten Reisepass. „All OK?“ frage ich. Wortlos schließt er seinen Schalter und schert sich so gar nicht um die murrenden Touristen, die hinter mir anstehen. Der Beamte kommt hinter seinem Tresen hervor. Ein großer Mann. Weiße Uniform mit Pistole am Halfter. Meinen Reisepass in der Hand bedeutet er mir mit einer Handbewegung mitzukommen. Verwirrt, aber völlig arglos laufe ich mit meinem Rucksack auf dem Rücken und meiner Aldi-Tüte in der Hand hinterher. Er geht in ein Büro im hinteren Bereich der Grenzstation. Ich folge ihm. Als er die Tür hinter mir schließt, und den Schlüssel im Schloss dreht, wird mir schlagartig bewusst, dass DAS jetzt keine normale Situation ist, die sogar noch ganz ganz ganz ganz übel werden könnt. Beide stehen wir leicht unschlüssig im Büro herum. Das Fenster ist nach zur Abfertigungshalle hin mit einem Sichtschutz versehen. Ich versuche nach außen hin so gelassen wie möglich zu wirken, obwohl meine Gedanken wilde Purzelbäume schlagen. Der Ägypter spielt an seinem Handy herum. „First time Egypt?“ beginnt er ein Gespräch. „No. Second Time.“ antworte ich wahrheitsgemäß. „Make photo?“ Er macht einen Schritt auf mich zu und ich weiche keinen Millimeter aus. Instinktiv mache ich einen ganz geraden Rücken, damit meine beinahe ein Meter und achtzig auch voll zur Geltung kommen. Er stellt sich neben mich und zeigt mir sein Handy. „Photo?“ fragt er nochmals. Ich bin geradezu erleichtert. Achso. Er will nur ein Foto von uns beiden. …Diane! Wie naiv kann ein Mensch sein?... Meine innere Stimme schreit mich an, als er den Arm um meine Schulter legt, und uns beide in Selfie-Pose bringt. Ich -blöde Kuh- lächele gequält in die Kamera. Anstatt abzudrücken, oder vielleicht auch während er abdrückt, dreht er sich zu mir, und versucht mir seine Zunge in meinen Hals zu stecken. …Diane! Flucht nach vorne!... kommandiert der Instinkt in mir. Wohldosiert, aber mit Nachdruck und genügend Kraft schubse ich ihn mit beiden Händen von mir. Er lacht und kommt wieder auf mich zu. Wieder weiche ich nicht zurück. Als er mir nochmals seinen Mund mit Schnauzer entgegen reckt, frage ich mich allen Ernstes, wer denn hier der Naive ist. Mit einem lauten „No!“ schubs ich ihn nochmals auf Abstand. Er grinst, dreht sich um, nimmt meinen Reisepass vom Schreibtisch und wirft ihn mir vor die Füße. Mit zügigen Schritten verlässt er das Büro. Wie von der Tarantel gestochen schnappe ich mir den Pass, und hechte hinterher. Der Mistkerl wie vom Erdboden verschluckt. Wie in Trance stelle ich mich wieder in der Warteschlange zur Ausreise an und zwinge mich dazu möglichst entspannt zu wirken, anstatt wie ein gejagtes Kaninchen ständig die Halle nach diesem Drecksack zu scannen. Als der Ausreise-Stempel in meinen Pass saust, und ich zur Israelischen Grenzstation hinüber laufe, sehe ich ihn hinter dem Ägyptischen Gebäude stehen. Er raucht, sieht mich, und zwinkert mir zu. Obwohl ich völlig fassungslos über so viel Dreistigkeit bin, gehe ich reaktionslos weiter. Erst als ich in der Halle mit den israelischen Einreiseschaltern bin, atme ich wieder aus. Mein Herz schlägt bis zum Hals.



Petra. Ein Lebenstraum.
Indiana Jones reitet wilden Galopp durch eine enge Schlucht, die irgendwie ein bisschen an den Antelope Canyon erinnert. Plötzlich, hinter der nächsten Biegung öffnet sich der enge Trichter. Der Canyon mündet in einen Platz, vor einer gewaltigen Fassade, gearbeitet in massiven, roten Sandsteinfels.
Wie oft habe ich diese Szene schon im TV angeschaut und dann wieder die DVD zurück gespult, und dann nochmals angeschaut?
Jetzt endlich erfüllt sich mein Lebenstraum. Der Bus hat auf dem Besucherparkplatz bei den Ausgrabungen in Petra angehalten. Rucksack geschultert und meine Kamera in der Hand bleibe ich in der geöffneten Bustür stehen und blinzele in die Sonne. Da passiert es. Es poltert. Kunststoff kracht und drei Stufen unter mir liegen die Einzelteile meiner heiß geliebten Kamera im gelblichen Sand. Als sich meine Schockstarre löst, beginne ich die abgesplitterten Teile des Gehäuses und die Linse vorsichtig einzusammeln. Man muss kein Techniker sein, um sofort zu erkennen. Dieses Panasonic Lumix FZ-5 ist über den Jordan gegangen. Da gibt es nichts mehr zu reparieren. Den Tränen nahe, rette ich den Speicherchip, während die Einzelteile dessen was mal ein treuer Begleiter auf unzähligen Reisen war in meinem Rucksack verschwinden.
Gut. Ich kann jetzt rumstehen und heulen, oder meinen Lebenstraum, der nur noch wenige Schritte von mir entfernt ist, erfüllen.
Keine Frage. „Oder“ gewinnt. Obwohl es mir bei dem Gedanken ohne (selbstgemachte!) Fotos aus Petra nach Hause zurück zu kehren, förmlich die Kehle zuschnürt.
Konfuze hat recht, wenn er sagt „Ärgere dich nicht über Dinge, die du nicht mehr ändern kannst.“ Schnelle Schritte bringen mich in den Canyon, der den Zugang zur jordanischen Stadt Petra bildet.


Ja, jetzt stehe ich hier. Vor mir das Khazne al-Firaun, das sogenannte „Schatzhaus des Pharaos“.
Ich grinse einfach nur. Schaue staunend diese beeindruckende Fassade hinauf und hinunter. Vergesse die vielen Hundert Touristen um mich herum. Einige Landschaften oder Bauwerker hat man schon Tausend mal auf Bildern oder in TV Dokus gesehen, aber wenn man dann endlich leibhaftig den Anblick genießt, dann ist es so, als würde man es das erste mal sehen. So geht es mir gerade. Ich bin überwältigt.
Der Tourguide lässt mir genügend Zeit die Eindrücke in mich aufzusaugen und trommelt dann seine Gruppe zusammen „Kommt, wir gehen weiter.“
Hä? Wo will der jetzt hin? Schon zurück? Ich bin entrüstet! Er geht aber nicht zurück zum Canyon Siq, sondern lässt das Schatzhaus links liegen und verschwindet um die nächste Ecke.
Jetzt bin ich aber gespannt.
Neugierig trottet die Reisegruppe hinterher. Und spätestens jetzt verfalle ich in hysterische Schnappatmung. Vor mir ein riesiges Areal mit Felswohnungen, römischen Gebäuden, einem Amphitheater, Häusern, Säulengängen. Eine ganze Stadt.



Siehste. Es hat auch Vorteile keine Reiseführer zu lesen. Man kann viel leichter überrascht werden.
Petra. Gedanklich mache ich einen kleinen grünen Haken hinter diesen Eintrag in meine persönliche Unbedingt-einmal-im-Leben-gesehen-haben-will-Liste und bin glücklich.
Einfach nur glücklich.

Das Leben eine Achterbahn
Es ist hinlänglich bekannt, dass das Leben eine Achterbahn ist. Es geht auf und ab, und meine drei Wochen in Israel, Jordanien und Ägypten haben das anschaulich bewiesen:
Bergab: Gepäck verloren.
Noch nicht unten. Weiter bergab: Sexuelle Nötigung beim Grenzübertritt.
Endlich bergauf: Wunderschöne Tour durch Israel mit großartigen Eindrücken.
Zwischentief. Bergab: Zerstörung meiner geliebten Kamera durch eigene Schusseligkeit.
Bergauf zum Peak: Endlich sehe ich Petra in Jordanien und bin überglücklich.
Schwung mitgenommen. Weiter bergauf: Nach Israel und Jordanien zurück in Ägypten, zum Schnorcheln, taucht mein Gepäck wieder auf.
Und? Was soll noch weiter passieren? Sogar mein Gepäck kommt mit mir in Frankfurt an, als ich nachts um zwölf Uhr zuhause lande. Seelig schließe ich meine Wohnungstür auf. Home sweet Home. Ein Ruck in der Achterbahngondel und es geht… …bergab: Der Boden meiner Wohnung übersät mit Sachen. Die kleine Kommode, die im Flur steht, entleert auf den Boden. Mein Schlafzimmer. Alle Schränke geöffnet. Kleidung achtlos auf Boden und Bett geworfen. Mein Wohnzimmer. Alle Schubladen und Schränke offen. Meine Balkontür weit geöffnet. Laub und kalter Nachtwind wehen mir entgegen.


Von einer Reise nach Hause zu kommen, und die eigene Wohnung ausgeraubt vorzufinden, das wünsche ich keinem. Den Einbrechern, die meinen einzigen wertvollen Besitz, eine Schweizer Uhr, gestohlen haben, wünsche ich übelste Magen-Darm-Viren, den dazugehörigen Dünnpfiff und weder Toilette noch Papier in der Nähe. Und das möglichst so lange, bis sie bereuen.



COSTA RICA: Salud!



Man muss keine Schnapsdrossel sein, um den charmanten Zusammenhang meines Costa Rica Souvenirs mit dem Cost Ricanischen Slogan „Pura Vida!“ herzustellen.

Mir sind ja diese Souvenirs die liebsten, die mich einerseits an vergangene Reisen erinnern und mich zusätzlich noch auf Reisen begleiten. Deshalb ist mein Costa-Rica-Flachmann auf exotischen Reisen immer dabei. Die Füllung ist meist Kräuter-hochprozentig, um bei eventuell vorkommenden Magenverstimmungen zu helfen, oder auch mal eine kleinere Wunde zu desinfizieren. Dabei hat mir das Schmuckstück auch schon so manchen hilfreichen Dienst geleistet.

Es ist ja letztendlich auch egal womit man den Flachmann füllt. Hauptsache man kann gesund und positiv in die Zukunft blickend auf viele künftige Reisen und das Leben anstoßen!


COSTA RICA Snack in süßsauersalzigscharf.


Oft sind es die einfachen Sachen, die einen großen Effekt haben.
Ein Beispiel dafür ist meiner Meinung nach der Snack, den es tagsüber an der Bar des Hotel Tamarindo gibt: Süße, reife, safttriefende Ananas in mundgerechte Stücke gewürfelt. Daneben ein kleiner Teller mit einer Mischung aus grobem Salz und gemörsertem Chili.
Im ersten Moment war mir gar nicht klar, was ich mit dieser Combo anfangen soll. Dann sehe ich, wie ein anderer Gast ein Stück Ananas auf einen Zahnstocher spießt, in die Salz-Chili-Mischung stippt und genießt.
Das muss man wirklich ausprobiert haben, sonst glaubt man es nicht. Die Geschmacksexplosion hat ein bisschen was von Sterneküche. Vielfältige, unerwartete Aromen vermischen sich und jede Stelle von Gaumen und Zunge wird gefordert. Säure, Salz, Süße und Schärfe vereinigen sich zu echtem Food-Porn.
Das ist „Pura Vida!“ im Mund.


COSTA RICA: Pura Vida



Die Tourismus Behörde Costa Ricas hat sich einen wahrhaft stimmigen Slogan als Werbung für ihr Land ausgedacht: Pura Vida!
In der Tat. Hier kreucht und fleucht es überall.


Ein scheinbar lebeloses Blatt läuft plötzlich den Baumstamm nach oben, weil es in Wirklichkeit eine Art Heuschrecke ist. (Hach, wie niedlich.)

Ein vermeintliches Muschelsouvenir (ich weiß, macht man nicht!) zwickt durch die Hosentasche ins Bein, weil ein kleiner Krebs darin wohnt. (Aua, dann bleibt‘s halt hier.)


Die Stille der Mittagshitze wird plötzlich durch ohrenbetäubende metallische Töne zerschnitten, weil Zikaden ein Liedchen anstimmen. (Grossartig. Fehlt nur ein Bass.)

Der Stromausfall am Abend wurde offensichtlich durch ein Faultier verursacht, dass sich versehentlich an einem nicht isolierten Stromkabel entlang gehangelt hat. (Nein, das ist kein Insektennest, sondern ein verkohltes Faultier.)


Alle diese Entdeckungen faszinieren mich ungemein. Wunderbares Leben in überraschenden Facetten. Neugierde, Begeisterung und Faszination am lebenden Objekt schlagen in meinem Fall insbesondere durch Amphibien in lautes Schreien, Wegrennen und mädchenhaftes Gebaren um. Einen kleinen Frosch am Wegesrand oder ein Molch in einem Schaukasten lasse ich mir gerne gefallen.


Aber Kröten… im Pool… Hiiiiiiiiiiiiiilfe!...

… Ich bin ein Star. Holt mich hier raus!
Fast alle Hotels in direkter Nähe zum Vulkan Arenal werben damit, dass die Hotelpools mit warmem Thermalwasser gespeist werden.


Obwohl es schon dunkel ist, möchte ich mir das Bad in echtem Arenal-Thermal-Wasser nicht entgehen lassen. Der Hotelgarten ist menschenleer. Im Badeanzug, eingewickelt in ein Handtuch gehe ich bei schwacher künstlicher Beleuchtung zu einem der kleineren Pools meines Hotels. Er ist gestaltet wie ein natürlicher, kleiner Teich. Das Wasser riecht zwar schwefelhaltig nach faulen Eiern, dampft aber verführerisch. Rund um den künstlichen Teich hat man unzählige Kröten zur Dekoration drapiert.
Ich lege mein Handtuch zur Seite und strecke vorsichtig einen Zeh ins Wasser, um zu sehen wie warm das Wasser ist. In dem Moment flüchten mehrere große Kröten aus dem Teich, erschrecken die herumsitzenden Amphibien, die so groß sind, dass ich sie für tönerne Dekoration halte und um mich herum bewegen sich plötzlich alle Krötentiere, die mir aus Keramik oder Ton viel lieber gewesen wären.
Den wenigen Hotelgäste, die noch beim Abendessen sitzen, bietet sich ein skurriles Bild durch die Panoramascheiben des Restaurants: Eine Touristin im Badeanzug kommt laut schreiend aus dem Dunkel gerannt und fuchtelt wild mit einem Handtuch.
Ich möchte dieses Erlebnis dann jetzt lieber nicht weiter kommentieren ;-)







VARANASI: Einen Wunsch frei



Die heiligste Stadt der Hinduisten beeindruckt mich zutiefst. Es riecht, es wimmelt, es dröhnt. Was für einen Moment fasziniert, wird nach einer Weile anstrengend. Deshalb bin ich ganz dankbar, als der Reiseleiter meine kleine Reisegruppe auf ein Ruderboot verfrachtet und wir auf dem Ganges entlang der weltberühmten Ghats schippern.
Herrlich exotisch, aufregend fremd.


Hier sitzt ein Bettler, da badet ein Gläubiger im Ganges, dort verkaufen kleine Mädchen Opferschalen. Weiter links wird die Bühne für das allabendliche Ritual vorbereitet. Dann da, ganz rechts, schwelen Leichenfeuer. Ich weiß gar nicht wohin ich zuerst schauen soll.
Spektakulär!


Ein anderes Ruderboot fährt längsseits, und ein kleines Mädchen verkauft uns Touristen für wenige Cents kleine Opferschalen. Geformt aus Blättern des heiligen Baumes mit Papier zusammengefügt. Darin einige Tagetesblüten, ein Häufchen Talg und ein Docht. Ein Mitreisender hilft mir den Docht meiner Opferschale zu entzünden. „Übergib das Opfer Göttin Ganges und wünsch dir was.“ höre ich den Guide sagen. Ich schaue wieder zu den Ghats. Dürre Menschen, spärlich bekleidet. Bettelnde Kinder. Kühe, die in Müllhaufen auf Plastiktüten herumkauen. Meine Opferschale gleitet ins Wasser. Ich bin ganz gerührt „Zu deinen Ehren, Göttin Ganges. Kein Wunsch für mich. Ich bin wunschlos glücklich. Pass bitte auf deine Kinder auf.“