
Von Telegraph Cove aus
starte ich zusammen mit anderen Ausflüglern im Morgengrauen mit einem kleinen
Schiff zum Whale Watching.
Die Stimmung ist
unwirklich. Dunst hält sich dicht über der ruhigen See und schemenhafte
Schatten lassen unzählige Inselchen in der Bucht verstreut erahnen. Alle
Touristen stehen angespannt die Wasseroberfläche absuchend, die Kamera
schussbereit, an der Reling aufgereiht und fiebern der ersten Wal-Sichtung
entgegen. Die junge Biologie-Studentin, die enthusiastisch versucht uns die
Sprache und das Sozialverhalten der Orcas anhand von Schautafeln zu erklären,
redet gegen eine Front aus entzückenden Rücken in Windjacken.
Der Arm mit dem ich die
Kamera halte, wird schon ganz lahm. Außerdem ist mir kalt. Und Hunger habe ich
auch. Kein Wal in Sicht? Dann gehe ich erstmal frühstücken, während die nette
Bio-Studentin ein Mikro ins Wasser lässt „Um eine Wal-Familie zu orten.“, wie
sie erklärt.
Im Bauch des kleinen
Kahns riecht es angenehm nach Kaffee und Süßem. Auf einem Tisch stehen
Thermoskannen mit Kaffee, hausgemachte Blaubeermuffins und ein Teller für
freiwillige Geldspenden bereit. Ich schnippe zwei Dollar in den Blechteller,
freue mich über das lustige Geräusch, dass das macht, hänge meine Kamera um den
Hals und bewaffne mich mit einem großen Pott heißen Kaffees und einem
Blaubeermuffin. Mh? Scheint, als würde das Boot mehr Fahrt aufnehmen. Es
schaukelt heftig.

Auf der Stiege hinauf,
höre ich Tumult an Deck. Oben angekommen sehe ich meine Mitreisenden durchaus
mit Körpereinsatz um den besten Platz an der Backbord-Reling kämpfen (wieder
mal so eine Stelle zum Fremdschämen… aber gut… das ist eine andere Geschichte).
Wale.
Ganz offensichtlich
wurden Orcas gesichtet und das Boot hat zielstrebig auf die Gruppe zugehalten.
Prima! Ich höre die ersten Kameras klicken, während ich immer noch mit einer
Kaffeetasse in der linken Hand, und einem Muffin in der rechten Hand dümmlich
dreinblickend herumstehe. Hektisch blicke ich mich nach einer Ablagefläche für
mein Frühstück um. Nix. Na toll! Der Pulk rangelnder Touristen wuselt wild vor
meinen Augen herum. Die hinteren Whale-Watcher drängen jetzt nach vorne und
versuchen die aus der Frontreihe zur Seite zu drängen. „Sie haben doch schon
zig Fotos gemacht. Ich will auch mal vor.“
Weija… „Diane. Ruhig
blut.” murmelt meine innere Stimme. „Verpiesel dich mal aus dem Boxring, bekomm
mal deine Hände frei, und dann mischst du mit.“ Siehste. Meine innere Stimme
weiß immer was zu tun ist.

Ich trotte auf die
andere Seite des Schiffs, beiße große Stücke des Muffins ab, schlinge sie ohne
Kauen, dafür aber verdünnt mit Kaffee, hinunter. Gerade als ich den Rest des
Muffins verstohlen über Bord befördern will, wundere ich mich über ein seltsames
Ding im Wasser. Zuerst glaube ich es ist ein Plastikkanister. Empört über die
potentielle Umweltverschmutzung hänge ich mich weit über das Geländer, um
ausmachen zu können was das für ein Ding ist. Es wird größer und wirkt seltsam
verformt.
Dann klappt mein
Unterkiefer herunter und mir stockt der Atem.
Da kommt ein Orca an
die Oberfläche. Ein riesiges Tier liegt längs des Bootes dicht unter der
Wasseroberfläche und hat sich zur Seite gedreht. Wir blicken uns an. Ich bin
vollkommen geflasht. Das ist doch nicht real? Ich steh doch nicht hier wie eine
Vogelscheuche mit ausgebreiteten Armen, Kaffee und Kuchen in den Händen, die
Kamera ungenutzt um den Hals baumelnd, und blicke einem Orca ins Auge?
Unsanft bekomme ich zu
spüren: Doch, es ist real! Die gesamte Wal-Familie scheint unter dem Boot
durchzutauchen und bringt die Touristenschar mit sich. Ellenbogen schieben sich
in mein Kreuz, Kameras klicken, und als ich unsanft von der Reling weggeschoben
werde, kann ich gerade noch sehen wie der Wal, „mein Wal“, abtaucht.




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