Ich im ‚Las Tejas Verdes‘ und schäme mich in Grund und
Boden. Was habe ich getan? Ist das meine Schuld? Würde es hier jetzt auch so
zugehen, wenn ich keine Bewertung abgegeben hätte? Wären die vielen Touristen
dann nicht vielleicht einfach an der kleinen Bar mit dem spelunkigen Licht
vorbei gegangen und alles wäre geblieben wie es war: authentisch?
Letztes Jahr,…
… nach unserer Rückkehr von Teneriffa,
habe ich ganz begeistert diese Bewertung bei tripadvisor.de abgegeben: „Las
Tejas Verdes: Authentischer geht's kaum: Bei Tag läuft man bestimmt x-mal am
Tejas Verdes vorbei, ohne es überhaupt wahr zu nehmen. Ein kleiner grüner
Schuppen, mit geschlossenen Türen und winzigen Fenstern. Abends ab 21 Uhr, wenn
das Trio aufspielt, bleibt man automatisch davor stehen, lauscht den Spanischen
Liedern. Es gibt Abende, da ist die winzige Bar bis auf den letzten Platz
gefüllt, und so mancher Einheimische greift zu Gitarre und/oder Mikrofon. Es
gibt Abende, da schwingen Pärchen kunstvoll das Tanzbein. Es gibt aber auch
Abende, da sitzen nur wenige Gäste an den urigen Holztischen, und das Trio
spielt verloren vor sich hin. Da muss man einfach geduldig immer mal wieder
vorbei gehen und schauen. Niemals vor 21 Uhr, da ist nichts los.“.
Jetzt…
… ist mir nach Heulen zumute.
Letztes Jahr…
… waren wie per Zufall in die kleine
Bar „Las Tejas Verdes“ mit den grünen Türen und den grünen Läden gestolpert.
Wir haben uns weder von der schummrigen Beleuchtung, noch von der feuchten Luft
und der beinah schäbig wirkenden Einrichtung abschrecken lassen. Unsere
Neugierde wurde in den darauffolgenden Stunden belohnt: Wir erleben eine Art
„Kanarisches Coyote Ugly“. Zwei ältere Herren spielen Gitarre und singen
leidenschaftlich kanarische und spanische Lieder. Fasziniert beobachten wir
zusammen mit den verschwindend wenigen Touristen wie nach und nach Kanari
aufstehen, sich beherzt das Mikrofon greifen und ähnlich einer
Karaoke-Vorstellung mit tiefster Innbrunst ihr Lieblingslied schmettern. Wieder
andere, einheimische Gäste, greifen sich Rhythmus-Instrumente aus der
Dekoration der Schanktheke und sorgen für die Percussion-Unterstützung. Zu
unserer Überraschung bleibt die peinliche Note einer Karaoke-Vorstellung aus,
denn allesamt wissen genau was sie da tun, und liefern eine bühnenreife Show
ab. Zwei Karaffen Wein später singen wir ebenso innbrünstig „Viva Tenerife,
viva, Viva Tenerife, Viva Tenerife de las Canarias maravillosas Viva Tenerife,
viva, Viva Tenerife, viva Viva Tenerife de las Canarias maravillosas“ mit,
während ein kanarisches Paar älteren Semesters mit dem Stolz der südländischen
Patrioten tanzt. Erst als schon wieder der Sonnenaufgang zu erahnen ist,
verlassen wir das „Tejas Verdes“ und schwanken „Viva Tenerife“ summend zum
Hotel.
Was jetzt…
…vor meinen Augen abläuft, hat nichts
mit diesem zauberhaftem Abend von damals, zu tun. Das „Tejas Verde“ voller
Touristen. Die Einheimischen, von denen ich einige wiedererkenne,
zusammengequetscht an einem kleinen Tisch vor den Gitarristen. Der
Geräuschpegel ohrenbetäubend. Die beiden Gitarre spielenden Sänger sind kaum zu
verstehen. Es vergeht eine halbe Ewigkeit bis der erste Einheimische sich
erbarmt und enthusiastisch ein Lied mit dem Mikrofon mitsingt. Die gespannte
Touristen-Menge schunkelt und klatschen unrhythmisch dazu. Die Blicke der
Einheimischen sprechen Bände.
Entweiht!
Jemand hat diese kleine urige Bar
entweiht. Ich schicke tonlose Stoßgebete in die Runde „Bitte sagt mir jemand,
dass das nicht meine Schuld ist.“.
Aber wie ist das? Wie ist das, wenn
man „Off the beaten path“-Tipps im Internet postet? Hat man dann automatisch
Hochverrat an denen begangen, die den Geheimtipp über Jahre bewahrt haben, um
ihn zu schützen, und zu verhindern, dass ein „beaten path“ daraus wird?
Ich bin ratlos … und beschämt.
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